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Originalausgabe
© 1975 Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg, ISBN 3-455-089984-4, 239 Seiten, 63 Abbildungen, Gesamtherstellung: SVA, Süddeutsche Verlagsanstalt, Ludwigsburg |
Klappentext |
Seit etwa 100 Jahren wissen wir, daß der Mensch ebenso wie alle anderen Lebewesen dieses Planeten das Resultat einer biologischen Entwicklung ist - der
"Evolution", die seit mehr als 3 Milliarden Jahren abläuft. In dem vorliegenden Band berichten 12 namhafte Wissenschaftler für den Laien verständlich über die aktuellen Probleme und Ergebnisse des heutigen Standes der
Evolutionsforschung. Den Anfang macht Konrad Lorenz mit einer als klassisch zu bezeichnenden zusammenfassenden Darstellung der Darwinschen Lehre. Sein Schüler Wolfgang Wickler erläutert die Wirksamkeit der Evolutionsgesetze am
Beispiel "biologischer Irreführung" (Mimikry). Weitere Beiträge behandeln das grundlegende Problem, ob und wie weit auch der Mensch als Kultur hervorbringendes Wesen noch durch seine stammesgeschichtliche Herkunft geprägt ist. Ergänzt
wird dieser Überblick durch die Beschreibung biologischer "Problemlösungen" aus dem Bereich der Biotechnik, moderne molekularbiologische Methoden, die eine zeitliche Abschätzung des Evolutionstempos ermöglichen, und Ausblicke auf die
Zunkunftsaspekte, die sich aus der zunehmenden Fähigkeit des Menschen ergeben, rational in evolutive Prozesse eingreifen zu können. |
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Der vorliegende Band enthält eine erste Auswahl von Beiträgen
zum Thema "Evolution", die so zusammengestellt wurden, daß sich eine möglichst vollständige Übersicht über alle Aspekte der Forschung auf diesem Gebiet ergibt. D
en Anfang macht Konrad Lorenz mit einem seinerzeit stark beachteten Aufsatz "Über die Wahrheit der Abstammungslehre", der wahrscheinlich besten und umfassendsten Darstellung dessen, was "Darwinismus" eigentlich
ist, die es heute in deutscher Sprache gibt. Den Autor, der durch zahlreiche, auch populäre, Veröffentlichungen bekannt wurde und für seine verhaltensphysiologischen Untersuchungen 1973 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, braucht man
kaum vorzustellen. Lawrence B. Slobodkin ("Die Strategie der Evolution") ist Yale-Absolvent und Leiter der Abteilung für Ökologie und Evolution an der State University of New York. Er gilt international als einer der
führenden Theoretiker auf diesem Gebiet. Wolfgang Wickler, Schüler und Nachfolger von Konrad Lorenz im berühmten Seewiesener Max-Planck-Institut für Verhaltensforschung, beschäftigt sich in seinem Aufsatz "Lug und Trug als
Ergebnis der Selektion" am Beispiel der Mimikry mit der ebenso wichtigen wie spannenden Frage, wie es in einer auf Zweckmäßigkeit ausgerichteten biologischen Entwicklung zur Entstehung von Signalen und Verhaltensweisen mit
Täuschungscharakter kommen kann. Und der Evolution geht das Alte keineswegs immer mit dem Kommen des Neuen zugrunde, neben den rezenten, modernen Organismen halten sich an manchen Stellen der Erde auch noch einzelne Vertreter
archaischer Arten als "lebende Fossilien". Diese "Oldtimer der Tierwelt" beschreibt Erich Thenius, Direktor des Paläontologischen Instituts der Universität Wien. Evolution spielt sich auch keineswegs nur im
makroskopischen Bereich sichtbarer Gestalten ab. Ihre Ursache sind molekulare Veränderungen. Deren Untersuchung liefert heute ganz neue Möglichkeiten, das Tempo entwicklungsgeschichtlicher Abläufe nachträglich zu messen:
"Eiweißstrukturen - Sekundenzeiger der Evolution?" von Helmut Grünewald, Literaturdirektor der Gesellschaft Deutscher Chemiker. Die Richtung, welche die Entwicklung des Lebens auf der Erde einschlug, muß die
Resultante eines komplizierten Wechselspiels zwischen Anpassung der Organismen an immer neue Lebensräume und der laufenden Veränderung der irdischen Umwelt durch die physiologische Aktivität dieser Organismen gewesen sein. Ein Beispiel
für diesen Zusammenhang untersucht Ernst Friedrich Vangerow, Geologe und Paläontologe an der Technischen Universität Aachen ("Wandel der Erdatmosphäre und die Entwicklung des Lebens"). Carl Gans lehrt als Zoologe an
der State University of New York in Buffalo. In seinem Beitrag "Vierbeinigkeit als funktionelle Anpassung" untersucht er die natürlichen Ursachen, die im Verlaufe von Jahrmillionen zu dem heutigen Bewegungsapparat der auf dem
Festland lebenden Wirbeltiere geführt haben. Werner Nachtigall ("Flugmechanik der Insekten") untersucht an einem ausgewählten Beispiel die Resultate der Evolution unter physikalischen und technischen Aspekten auf ihre
Effizienz. Der Verfasser ist Ordinarius für Zoologie an der Universität Saarbrücken. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er durch sein erfolgreiches Buch "Phantasie der Schöpfung" (Hamburg 1974) bekannt. Mit dem
Beitrag von Theodosius Dobzhansky wird die Betrachtung eines ganz anderen Aspekts der Evolution eröffnet, und zwar die Frage, auf welche Weise und in welcher Form die Konsequenzen evolutiver Gesetzlichkeit bis in die Strukturen unserer
menschlichen Gesellschaft hineinreichen. "Sind alle Menschen gleich erschaffen ?" Mit dieser Frage stellt sich der Verfasser, international renommierter Genetiker an der University of California, dem provozierenden Widerspruch
zwischen der moralischen Forderung nach der Gleichberechtigung aller Bewohner dieses Planeten und der unbestreitbaren Tatsache ihrer genetischen Verschiedenheit. Hintergründig sind auch die Zusammenhänge, die Otto König, Leiter
einer Abteilung für Verhaltensforschung und Kulturethologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, in seiner Abhandlung "Biologie der Uniform" aufdeckt. Sein Forschungsgegenstand - der Wandel von Trachten und
Uniformen im Laufe der Jahrhunderte - ist nur scheinbar entlegen. Gerade an diesem Beispiel gelingt es dem Autor, überzeugend nachzuweisen, daß unser Gehirn auch da, wo wir in aller Freiheit zu entscheiden meinen, bestimmte Gesetze der
Stammesentwicklung wiederholt, denen es selbst seine Entstehung verdankt. Die kulturelle Entwicklung des Menschen blieb auch ihrerseits nicht ohne Einfluß auf den Fortgang der Evolution unserer Spezies. Am einschneidendsten
dürfte sich dabei die Veränderung der Selektionsbedingungen ausgewirkt haben. Franz Schwanitz, Direktor des Instituts für Botanik an der Kernforschungsanlage Jülich, weist das an der Entwicklung des Anbaus von Nutzpflanzen nach
("Nutzpflanzenanbau und die Evolution der Kultur"). Neueste Möglichkeiten naturwissenschaftlicher Forschung konfrontieren den Menschen heute mit der Forderung, sich darüber klarzuwerden, wie Evolution, wie
insbesondere seine eigene Evolution, weiterlaufen soll. Diesen aktuellen Aspekt schneidet der abschließende Beitrag von Gerhard Schramm "Experimentell erzeugtes Leben" an. Der Autor war bis zu seinem Tode, 1969, Direktor am
Max-Planck-Institut für Virusforschung in Tübingen. [Hoimar v. Ditfurth] |